Die Key Profile Area Skills and Structures in Language and Cognition entwickelt und koordiniert Verbundforschung in den Language Sciences an der Universität zu Köln. Aktueller Themenschwerpunkt ist die Erforschung von Kreativität und Routine im sprachlichen Verhalten. Ziel ist ein tieferes Verständnis der Variation in sprachlichem Wissen und Verhalten und der dieser Variation zugrundeliegenden kognitiven Mechanismen. Damit wird zugleich ein Beitrag zum besseren Verständnis der Faktoren geleistet, die gelungene sprachliche Kommunikation ermöglichen.
Das Zukunftskonzept der Universität zu Köln (UzK) sieht vor, thematisch fokussierte Kernprofilbereiche – Key Profil Areas (KPA) –, die wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Themen erforschen, zu fördern. Die KPA Skills and Structures in Language and Cognition ist einer von derzeit sechs KPAs der UzK und führt unterschiedliche Forschungsstränge in den Language Sciences in innovativen Verbundprojekten zusammen. Im Zentrum steht die Spannung zwischen dem je individuell verschiedenen Verhalten von Personen, die sprachlich kommunizieren, und den generellen Strukturen, die aus ihrer Interaktion entstehen. Wir verfolgen die Hypothese, dass unterschiedliche soziale und kognitive Fähigkeiten und Präferenzen die Quelle der beobachtbaren Variation in sprachlichem Verhalten und Wissen sind. Diese Unterschiede kommen im Wechselspiel von Kreativität und Routine zum tragen, welches jede kommunikative Äußerung charakterisiert.
Die Mitglieder des Kernprofilbereichs kommen aus der Philosphischen, der Humanwissenschaftlichen sowie der Medizinischen Fakultät und weiteren interfakultären Einheiten. Einen Überblick über die aktuellen Aktivitäten der Language Sciences an der UzK finden sich auf den Seiten des Cologne Center of Language Sciences.
Kreativität und Routine in Sprache und Kognition
Sprache ist ein hochkomplexes und dabei sehr robustes kognitives und soziales System, das die Grundlage für menschliche Kommunikation bildet. Neben dem Austausch von Informationen sind weitere Funktionen von Sprache zentral für die Etablierung von sozialen Systemen, die Identifizierung der jeweiligen Agenten in diesen Systemen sowie Abgrenzung und Integration derselben. Gleichzeitig erlauben Mehrsprachigkeit und Variation im Gebrauch einer Sprache eine Vielfalt an kognitiven Ausdrucksmöglichkeiten, die andere semiotische Systeme nicht bieten. Zwei zentrale Aspekte dieser hohen Flexibilität von Sprache bei gleichzeitiger Robustheit sind Kreativität und Routine im sprachlichen Verhalten. Die KPA VI untersucht, wie diese beiden Faktoren zu gelungener sprachlicher Kommunikation beitragen.
Gesprächsbeteiligte dürfen und müssen kreativ sein, um ihre kommunikativen Ziele effizient zu erreichen. Ein Standardbeispiel ist die Aufforderung „Das Schnitzel an Tisch fünf möchte zahlen“ in einem Restaurant. „Das Schnitzel“ als Bezeichnung für einen Gast stellt hier einen Kompromiss dar: zwischen einer möglichst eindeutigen Identifikation der gemeinten Person und einer möglichst kurzen Bezeichnung für sie. Ein anderes Beispiel betrifft den kreativen Umgang mit sprachlichen Mehrdeutigkeiten um besondere kommunikative Effekte zu erzielen. Andererseits sind sprachliche Interaktionen von einer Vielzahl von Formeln und Routinen gekennzeichnet, die es erlauben, häufig wiederkehrende kommunikative Aufgaben zügig zu erledigen. Hier sind Gruß- und Abschiedsformeln sowie konversationelle Reparaturroutinen ein Standardbeispiel.
Unsere Alltagserwartung ist, dass sprachliche Kommunikation im Normalfall gelingt. Gelingt sie nicht, fällt dies meist sofort auf. Einige Arten nichterfolgreicher Kommunikation sind sogar ein beliebter Gegenstand populärwissenschaftlicher Literatur (z.B. Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (Tannen 1998)). Jedoch kann es durchaus sein, dass Fälle nichterfolgreicher Kommunikation, die unbemerkt bleiben, gar nicht so selten sind. Eine systematische Untersuchung der Faktoren, die das Gelingen sprachlicher Kommunikation beeinträchtigen und der Frage, wo die Grenzen der Wahrnehmung des Nichtgelingens liegen, fehlt. Diese Fragen gehören unter dem Begriff Robustheit ebenfalls zum Kern unserer Untersuchungen.
Robustheit bezieht sich auf eine Vielzahl von Aspekten sprachlicher Kommunikation, u.a. den Umstand, dass sprachliche Ausdrücke oft mehrfach redundant sind. Mehr oder weniger robust sein können des Weiteren: spezifische Konstellationen von Sprechenden, sprachliche Strukturen, sprachliche Formeln und vieles mehr. Kreativität und Routine sind dabei zentrale Faktoren, die die Robustheit sprachlicher Interaktionen beeinflussen. Kreative Innovationen können Robustheit verstärken, also zu einer Verdeutlichung des Gemeinten beitragen. Sie können aber auch Unsicherheiten hervorrufen, wenn zu viel Wissen und Assoziationsfähigkeit auf Seiten der Hörenden vorausgesetzt wird. Routinen tragen zwar viel zur grundsätzlichen Robustheit sprachlicher Kommunikation bei, werden aber immer dann zu einem Problem, wenn Neues oder Nuancierungen kommuniziert werden sollen.
Der Fokus auf der Interaktion und Integration von Kreativität und Routine in gelungener Kommunikation wird uns erlauben, wesentliche Fortschritte in einem Problemkomplex zu erzielen, der in der letzten Dekade ins Zentrum der sprachwissenschaftlichen Diskussion gerückt ist. Im 20. Jahrhundert basierten die Hauptströmungen der sprachwissenschaftlichen Forschung auf einer starken Homogenitätsannahme, wonach Mitglieder einer Sprachgemeinschaft auf der Basis weitgehend identischer Wissensbestände und Verhaltensnormen kommunizieren. Dabei wurde von individuellen Unterschieden großzügig abstrahiert. Das zur Erfassung dieser Varianz erforderliche begriffliche und empirische Instrumentarium ist deshalb in den Sprachwissenschaften noch deutlich weniger entwickelt als in anderen Disziplinen (z.B. der Differentiellen Psychologie). Die Begriffe der sprachlichen Kreativität und der sprachlichen Routinen, wie wir sie hier (weiter)entwickeln und untersuchen wollen, eröffnen die Möglichkeit, der Rolle individueller Fähigkeiten und Präferenzen in einer umfassenden Theorie der sprachlichen Kommunikation den angemessenen Platz einzuräumen. In vielen Wissenschaften finden derzeit parallele Diskussionen zu individuellen Unterschieden statt. Das Thema bietet mithin einen idealen Untersuchungsgegenstand für transdisziplinäre Forschung im Bereich Sprache.